Beschreibung

Predigt Wer ist schuld?

So 22. März 2020, Evangelium Johannes 9,1-41

 

Wer ist schuld? Wer ist schuld an der Coronakrise?

Wer ist schuld, dass ich dieses und jenes mitgemacht habe?

Wer ist schuld, dass die Welt so ungerecht ist?

Womit habe ich das verdient? Was habe ich denn getan, dass uns das getroffen hat? Wer ist schuld, dass …

 

Wir könnten hier noch hunderte Beispiele aufzählen. Fast reflexartig stellen viele Menschen die Frage nach der Schuld oder eigentlich noch mehr: Ohne viel zu wissen, wissen sie sofort, wer schuld ist und sind darauf fixiert, ihre große Erkenntnis überall zu erzählen und diese Person an den Pranger zu stellen. Ja! Die schnelle und oft einzige Frage „Wer ist schuld?“ sucht schnell Sündenböcke und treibt viele Begegnungen in eine Sackgasse.

 

Von diesen menschlichen Spielen und Ablenkungsmanövern erzählt auch das heutige Sonntagsevangelium. Spannend, wie hier Lösungen verhindert und dann trotzdem gefunden werden. Es zahlt sich aus, auf die Dramaturgie des Textes und Jesu Fähigkeit, heilsame Begegnungen zu ermöglichen, genauer hinzuschauen.

 

Die Jünger stellen die Schuldfrage. Wer hat gesündigt?

Noch bevor die Jünger einen einzigen Satz mit dem Blindgeborenen reden, stellen sie alle möglichen Vermutungen über ihn an. Für sie ist die Verbindung zwischen Blindheit und Sünde klar. Fragt sich nur, wem sie die Sünde anhängen sollen: Ist sie vererbt und somit Schuld der Eltern oder ist der Blindgeborene selbst verantwortlich?  Es muss doch einen Zusammenhang geben zwischen Tun und Ergehen, Schuld und Leiden.

 

Jesus hingegen weitet den Blick

Der Menschenkenner Jesus kennt die Sackgasse der beliebten Dauerfrage „Wer ist schuld?“. Sie bringt kaum jemanden weiter, verhärtet eher die Situationen und sucht schnell Sündenböcke. Deshalb weitet Jesus sofort den Blick auf zwei andere Ebenen aus, auf Gott und auf die Zukunft: Während die Jünger einen sündigen Blindgeborenen sehen, sieht Jesus in dem Mann eine Person mit neuen Chancen. An ihm sollen in Zukunft die Werke Gottes offenbar werden.

 

Ablenkungsmanöver

Nach der Heilung des Blindgeborenen breitet sich nicht Staunen aus, sondern ganz im Gegenteil. Es starten viele Ablenkungsmanöver.

Ablenkungsmanöver 1:

Die Nachbarn reden überall mit und wissen nichts genau. Obwohl der Blinde mitten unter ihnen lebt, scheinen sie ihn nie genau angeschaut, vielleicht sogar nie mit ihm geredet zu haben. Wahrscheinlich waren sie wie die Jünger eher auf die Sünde und sein verachtetes Betteln konzentriert als auf den Mann selbst.

Ablenkungsmanöver 2: die Pharisäer

Ab und zu sagen Menschen: „Da muss ein Wunder her, dann glauben wir.“ Hier ist ein Wunder geschehen, aber für die verblendeten Pharisäer ändert sich trotzdem nichts. Sie suchen Beweise gegen Jesus. Für sie kann nichts von Gott kommen, was dem Sabbatgebot widerspricht. Ob jemand geheilt wurde, ist ihnen eigentlich egal. Es ist auf jeden Fall zur falschen Zeit geschehen. Das geht nicht!

Ablenkungsmanöver 3:

Die Pharisäern schlagen den Eltern einen Deal vor: Man kann ja so tun, als ob er nie blind und somit kein richtiges Wunder nötig war. Zunächst scheinen sich die Eltern dem vorgeschlagenen Schwindel zu widersetzen. Dann verlässt sie der Mut. Sie überlassen ihren Sohn sich selbst: Er ist alt genug, fragt doch ihn selbst.

 

Schritte zur ganzheitlichen Heilung

Das eigentliche Wunder dieser Erzählung ist nicht so sehr die körperliche Heilung des Blindgeborenen, sondern sein wachsendes Vertrauen. Er wird nicht nur gesund, sondern ist geheilt. Er ist frei von der Angst, die ihn stets hinderte, seine eigene Ansicht zu vertreten. Er findet zu seinem eigenen Urteil und zum Mut, seine Meinung zu vertreten.

 

Wir sehen:

Jesus will nicht nur Symptome behandeln und körperlich gesund machen.

Heilwerden betrifft den ganzen Menschen.

Heilwerden befreit uns vom Fixiertsein auf die Schuld anderer, um sich selbst nicht ändern zu müssen.

Heilwerden betrifft auch unsere Ablenkungsmanöver.

 

Wir gehen auf Ostern zu, ein Ostern, das heuer ganz anders wird.

Die Botschaft und die Zusagen von Ostern bleiben:

 

Osteraugen

Ich wünsche uns Osteraugen,

die im Tod bis zum Leben,
in der Schuld bis zur Vergebung,
in der Trennung bis zur Einheit,
in den Wunden bis zur Herrlichkeit,

im Menschen bis zu Gott,
in Gott bis zum Menschen,
im Ich bis zum Du

zu sehen vermögen.

Und dazu alle österliche Kraft.                    Bischof Klaus Hemmerle

Details
  • Datum: 21. März 2020
  • Prediger:
  • Bibelstelle: Johannes 9,1-41