Beschreibung

Predigt Enttäuschte Erwartungen mit unberechenbaren Folgen

  1. So im Jahreskreis: Lukas 4,21-30 3. Feber 2019

Ich lese derzeit das Buch „Die Macht der Kränkung“ vom Gerichtspsychiater Reinhard Haller. Dort werden Beispiele aufgezeigt und analysiert, wie ganz normale Menschen wie du und ich andere kränken, gekränkt werden oder sich gekränkt fühlen. Das ist ja nicht immer dasselbe. Das Buch bringt Beispiele, wie erlebte und gefühlte Kränkungen eine solche Macht über jemanden bekommen, dass Menschen Sachen tun, die man ihnen nie zutrauen würde.
Aus Fans werden die größten Feinde. Langjährige Weggefährten setzen alles daran, jemanden zu blockieren. Ehemals befreundete Nachbarn werden zu Gegnern, die sich gegenseitig das Leben schwer machen. Wie ist das möglich? Warum handeln Menschen so?

Ein Ereignis im Leben Jesu gibt eine mögliche Antwort: Wenn Menschen an jemanden große Erwartungen stellen und diese Person die Erwartungen nicht erfüllt, dann kippt die Einstellung und Stimmung oft ins krasse Gegenteil. Schauen wir genau auf den Bibeltext.

Schneller Startapplaus: Wir sind Messias
Alles beginnt freudig und groß: Jesus kommt in seine Heimatstadt Nazareth. Mit seiner ersten Predigt gelingt ihm ein ausgezeichneter Start: Klare Botschaft! Staunende Zuhörer! „Heute hat sich das Schriftwort, das ihr eben gehört habt, erfüllt!“
Die Verheißung des Propheten Jesaja, dass der rettende Messias kommt, erfüllt sich heute und jetzt in Nazaret. Die Leute sind stolz auf den Sohn der Stadt: Einer der ihren erfüllt ihre Wünsche und wird berühmt. Heute würde die Zeitung schreiben: „Wir sind Messias!“

Erste Zweifel
Aber dann beginnen die Zweifel: Ist es überhaupt möglich, dass der Messias jetzt kommt und ausgerechnet hier? Leichter glauben wir ja die Botschaft, dass er von auswärts kommt, von Indien oder einem idealisierten Traumland. Aber direkt von hier? Die Gedanken des Zweifels bohren weiter: Kann jemand, den wir alle von klein auf kennen, überhaupt der Messias sein?

Stimmung kippt
Und dann kippt die Stimmung. Es ist interessant, im Bibeltext genau zu schauen, warum und wie dies geschieht:
• weil Jesus betont, dass er sich nicht vereinnahmen lässt
• weil Jesus nicht nur ihre Sonderwünsche erfüllt
• weil Jesus sagt, dass er für alle Menschen gekommen ist.
Wahrhaftig, das sage ich euch: In Israel gab es viele Witwen in den Tagen des Elija, als der Himmel für drei Jahre und sechs Monate verschlossen war und eine große Hungersnot über das ganze Land kam. Aber zu keiner von ihnen wurde Elija gesandt, nur zu einer Witwe in Sarepta bei Sidon. Und viele Aussätzige gab es in Israel zur Zeit des Propheten Elischa. Aber keiner von ihnen wurde geheilt, nur der Syrer Naaman. (Lukas 4,25-27)
Das ist ja unerhört und undankbar! Der ist ja wie Elija und Elischa mehr für Leute in Syrien da als für uns und für die Armen bei uns. Der betont ja nicht, dass wir die besten sind und alle gut machen

Und dann? Ablehnung und Wegschieben
Unerhört! Wenn jemand so denkt, kann er nicht der Messias sein. Der muss weg, am besten sofort.

Antwort Jesu
Die Antwort Jesu auf die sich aufschaukelnde Situation ist ganz eindeutig. Er lässt sich auf diese Machtspiele nicht ein. Er hat auch nicht das Bedürfnis sich zu rechtfertigen. Er lässt sich auch nicht klein kriegen, sondern bleibt aufrecht: Er aber schritt mitten durch die Menge hindurch und ging weg (Lukas 4,30)

Ich glaube, dass uns all diese Mechanismen nicht fremd sind. Das heutige Evangelium ist für eine Pfarre und für uns persönlich keine leichte Kost. Ganz dürfen wir uns vor der Frage nicht drücken: Wie reagiere ich,

• wenn jemand meine Erwartungen nicht erfüllt
• wenn jemand meine Interessen nicht fördert. Er ist ja angestellt und wird bezahlt für die Arbeit.
• wenn jemand für alle da ist und nicht nur auf Kommando für mich
• auch, wenn Gott meine Gebete nicht erhört?

Ich kenne einige Menschen, die den Glauben an Gott verloren haben, weil Gott ihre Wünsche nicht erfüllt hat.

Damals wie heute machen enttäuschte Erwartungen Menschen zu einem Pulverfass.
Und Gott? Er erfüllt nicht alle unsere Wünsche, wohl aber alle seine Verheißungen. (Dietrich Bonhoeffer)

Details
  • Datum: 3. Februar 2019
  • Prediger:
  • Bibelstelle: Lukas 4,21-30