Beschreibung

Predigt Gewalt im Namen Jesu? Sonntag 18. August 2019

Lesung Jeremia 38,4-10; Evangelium Lukas 12,49-53

 

Also doch! Jesus redet zwar ständig von Frieden und Freundlichkeit, aber wenn es ernst wird, dann sagt er zu seinen Jüngern: Ich bin gekommen, um Feuer auf die Erde zu werfen, wie froh wäre ich, es würde schon brennen!

Also doch! Zu seinen Jüngern, zu seinem engsten Kreis, sagt Jesus: Meint ihr, ich sei gekommen, um Frieden auf die Erde zu bringen? Nein, sage ich euch, sondern Spaltung.

Also doch! War die Tempelaustreibung ein Ereignis, bei dem Jesus die Nerven durchgegangen sind und er sich provozieren hat lassen? Oder war sein Handeln pure Absicht ohne Reue nachher?

 

Es ist unumstritten: Gewaltfreiheit ist ein Eckpfeiler in der Predigt Jesu und gehört ganz wesentlich zu seinem Lebensprogramm. Aber wie sollen wir dann die Sätze vom heutigen Evangelium und von der Tempelaustreibung verstehen? Diese Sätze bringen viele Christen durcheinander und sind ein Fressen für Kritiker Jesu und der Kirche, auch deswegen, weil sie im Laufe der Kirchengeschichte leider oft missbraucht wurden, um Gewalt im Namen Gottes zu rechtfertigen.

 

So möchte ich heute zu dieser wichtigen Frage zwei hilfreiche Deutungsschlüssel bringen, um solche Bibelstellen besser zu verstehen und auch Kriterien zu haben, wie wir allgemein mit schwierigen Bibelstellen umgehen sollen. Die Sätze „Das ist alles nicht von Jesus!“ oder „Das ist alles nicht so gemeint!“ sind mir zu wenig, weil sie ohne tiefer Auseinandersetzung alles relativieren und auch den Bibelworten jede Sprengkraft nehmen.

 

Deutungsschlüssel 1: Blick auf das Leben Jesu

Es fällt auf: Jesus wendet in seinem Wirken und Leben keine Gewalt an, sondern ganz im Gegenteil: Seine Passion ist wohl das weltweit beste Musterbeispiel für einen aktiven gewaltfreien Umgang mit Gewalt.

Damit ist alles gesagt und vorgelebt, wie Jesus zum Thema Gewalt denkt.

Seine Worte Wenn dich einer auf die rechte Wange schlägt, dann halt ihm auch die andere hin (Matthäus 5,39) interpretiert er selbst bei seinem Prozess. Es geht darum, sich hinzustellen und Farbe zu bekennen und nicht davonzulaufen. So frägt er den Hohenpriester: Wenn es nicht recht war, was ich gesagt habe, dann weise es nach; wenn es aber recht war: Warum schlägst du mich? (Johannes 18,23) Jetzt ist der Hohepriester gefordert.

 

Deutungsschlüssel 2: Genau hinschauen – was steht im Bibeltext wirklich da?

Was ist im heutigen Evangelium mit Feuer, mit Taufe und mit Spaltung gemeint?

Wann und wo spricht Jesus diese Worte? Es geschieht auf dem Weg nach Jerusalem. Jesus spürt und ahnt, was dort passieren wird: Ich muss mit einer Taufe getauft werden und wie bin ich bedrängt, bis sie vollzogen ist.

Was sagt Jesus wirklich: Ich bin gekommen, um Feuer auf die Erde zu werfen, wie froh wäre ich, es würde schon brennen! Hier ist nicht gemeint, dass Jesus ein Zündler oder ein Hassprediger ist, wohl aber einer, der will, dass seine Botschaft etwas mit Feuer zu tun hat, nämlich mit dem Feuer des Heiligen Geistes, auch mit dem Feuer der Gottesbegegnung, auch mit dem Feuer der Reinigung.

Und die Worte von der Spaltung? Jesus hat hier im Blick, dass seine Botschaft zur Entscheidung ruft und auch Spaltungen auslösen wird, nicht nur bei seiner Passion, sondern auch nachher. Einige werden von seiner Botschaft und siener Person begeistert sein – hoffentlich viele -, andere werden sich und ihr Handeln davon in Frage gestellt wissen und deshalb alles ablehnen.

 

Fragen, wie ich handeln soll

Mit dieser Hintergrundwissen sind die heutigen Bibeltexte nicht störende Relikte von alten vergangenen Zeiten, sondern wieder aktuell.

Jesus fordert uns auf, im Wirrwarr der Meinungen und in der leider steigenden Gewaltbereitschaft unserer Gesellschaft Farbe zu bekennen und die eigene Überzeugung zu leben. Beim Thema Gewaltfreiheit geht es nicht um irgendeine Situation vielleicht irgendwann einmal, sondern fast um tägliche Fragen:

  • Wie soll ich in einer Situation handeln, in der nicht alle gleicher Meinung sind?
  • Wie gehe ich mit der Situation um, dass in den letzten Jahren auf der Weltebene und in den Medien vieles leider aggressiver und unberechenbarer geworden ist?

 

Jesus ist kein Brandstifter.

Jesus spielt nicht mit dem Feuer.

Jesus ergötzt sich nicht am Inferno.

Jesus freut sich nicht am Flammenmeer.

Das Feuer Jesu,

das Feuer, das er verkündet,

das Feuer, das er bringt,

will heilen, nicht zerstören.

Die Botschaft Jesu bringt Zündstoff,

ruft zur Entscheidung,

bringt schwelende Konflikte zum Ausbruch.

Setzt Jesus auf Furcht?

Setzt er unter Druck?

Jesus will Leben nicht auslöschen, sondern entfachen:

Wie froh wäre ich, es würde schon brennen!  

(Dorotheee Sandherr-Klemp, in Magnifikat August 2019)

Details
  • Datum: 18. August 2019
  • Prediger:
  • Bibelstelle: Lukas 12,49-53