Beschreibung

Predigt 75 Jahre Heimkehrerkreuz Sillian. Täglich Frieden üben

  1. September 2023; Evangelium: Johannes 20,19-23

 

Was meint ihr: Wie viele Soldaten aus Sillian sind im 1. Weltkrieg gestorben, wie viele im 2. Weltkrieg? Im 1. Weltkrieg sind es 16 aus Sillian, 13 aus Arnbach und 8 vom Sillianberg, damals war ja Arnbach und Sillianberg noch eine eigene Gemeinde. Im 2. Weltkrieg sind aus Sillian 70 tote Personen zu nennen, die als Soldaten gestorben sind. Unvorstellbar! Da hatte ein ganzes Jahrzehnt an jungen Männern nicht die Chance, das eigene Leben zu gestalten, weil sie zum Teil schon als Buben im Krieg sterben mussten.

 

Diese Zahlen stammen vom Bezirkskriegerdenkmal Lienz rings um die Pfarrkirche in St. Andrä, in dessen unmittelbarer Nähe ich wohne. Sofort nach dem Ende des Ersten Weltkrieges entstand die Idee, im ehemaligen Friedhof rings um die Pfarrkirche St. Andrä ein Bezirkskriegerdenkmal zu errichten. Dort sollten die Namen aller verstorbenen Soldaten im Ersten Weltkrieg sichtbar werden, um ihrer zu gedenken und das unsagbare Leid unserer Dörfer nicht zu vergessen. Später wurden auf den Tafeln auch die Toten vom Zweiten Weltkrieg hinzugefügt.

Der berühmte Künstler Albin Egger Lienz bekam den Auftrag, eine Gedächtniskapelle für das Bezirkskriegerdenkmal zu gestalten. Er entwarf einen vierteiligen Bilderzyklus. Ich betrachte die vier Bilder von Egger Lienz sehr gerne und immer wieder. Sie sind nicht nur große Kunstwerke, sondern haben auch eine wichtige Botschaft zu den Fragen: Wie entsteht das Böse, wie breitet sich Krieg aus? Welche Auswirkungen hat das Böse? Gibt es Erlösung? Was ist die Antwort des christlichen Glaubens auf Leid und Hass?

Ich möchte diese Bilder als Gedanken heute zum Fest 75 Jahre Heimkehrerkreuz verwenden.

 

 

Bild 1. Der Sämann und der Teufel – Woher kommt das Böse?

Der Bilderzyklus von Egger Lienz beginnt an der Westseite mit dem Emailbild „Der Sämann und der Teufel“. Es greift Gedanken des Gleichnisses Jesu in Matthäus 13 auf, in dem er von einem Gutsherrn erzählt, der auf seinem Acker seine gute Saat aussät. Leider kommt in der Nacht sein Feind und sät Unkraut dazu.

 

Es geht so schnell, Unkraut zu säen und Gift zu spritzen. Klatsch und böse Worte sind so ein Gift, auch schnelle Urteile über andere. Leider wirkt dieses Gift oft viel schneller als ein gutes Wort und die Harmonie ist zerstört.

 

Bild 2: Die Namenlosen – Wie breitet sich das Böse aus?

Im zweiten Bild mit dem Titel „Die Namenlosen“ sehen wir, wie sich die Saat des Bösen ausbreitet. Die Soldaten nähern sich wie die Wellen des Meeres, sie ziehen ihre Köpfe ein. Sie laufen blind mit den anderen mit und werden Namenlose. Wer den Kopf herausstreckt, würde ihn bald verlieren. Egger Lienz malt die Soldaten absichtlich als Namenlose, auch als Mitläufer, Opfer und Täter. Die Idylle und der Tod für die Heimat sind verschwunden.

Dieses Bild mahnt uns, wachsam zu sein und den Anfängen zu wehren. Wenn die Lawine der Hetzereien gegen namenlose Gruppen losgetreten ist, dann lässt sie sich nicht mehr leicht stoppen. Wehret den Anfängen!

 

Bild 3: Totenopfer – grausame Folgen des Krieges

Wir sehen sechs Särge mit ihren Toten. Ein Toter liegt sichtbar auf dem Sarg. Sein Blick geht nach oben, vielleicht auch verbunden mit der verständlichen Frage „Warum?“. Wir sehen Sarg über Sarg. Ist das das Ende? Drei Lichtblicke lassen sich mitten im Leid erkennen: Von oben her kommt ein Licht und strahlt hinein in die Finsternis. Wer genau schaut, der bemerkt, dass einige Särge nirgends aufliegen und trotzdem nicht hinunterfallen. Sie haben die Schwerkraft bereits überwunden. Nicht zuletzt befindet sich am Fuß des Bildes der lateinische Text „ero mors tua, o mors“. Diese Worte stammen vom Propheten Hosea und heißen übersetzt: „Ich werde dein Tod sein, oh Tod.“ Somit enthält das Bild neben dem Hinweis auf das viele Leid auch einen positiven Blick: Der Tod ist nicht das letzte. Der gemeinsame Feind aller wird am Ende besiegt. Das Licht ist stärker.

 

Die Heimkehrer nach dem 2. Weltkrieg haben im Jahr 1948 hier das Heimkehrerkreuz errichtet zum Dank, dass sie überlebt haben. Wir sehen dieses Kreuz heute auch als Dank, dass seit mehr als 75 Jahren in unserem Land Frieden herrscht. Als Jugendlicher habe ich mir oft gedacht, dass es in Europa keine Kriege mehr geben wird und die Menschen von den Gräueltaten des 1. und 2. Weltkrieges gelernt haben. Leider war ich hier sehr naiv.

 

Bild 4: Der Auferstandene – christliche Antwort

Die Darstellung „Der Auferstandene“ bildet den Abschluss und Höhepunkt der Kapelle. Jesus ist hier nicht als großer Sieger und Welterlöser dargestellt, auch nicht als jemand, der alles Leid schon überwunden hat und in seiner Schönheit und Reinheit strahlt. Diese Darstellung des Auferstandenen erinnert mich an einen Kriegsheimkehrer, der den Krieg und die anschließende Gefangenschaft überlebt hat und nach Jahren abgemagert heimkommt. Ein Wunder, dass er überhaupt noch lebt. Das ist Auferstehung mitten im Leben.

 

Hier bin ich beim heutigen Evangelium: Der Auferstandene erscheint den verzweifelten Jüngern. Er gibt nicht auf. Er wünscht ihnen mehrmals den Frieden und motiviert zu einem Neuanfang. Er zeigt seine Wunde. Das ist wichtig, damit sie heilen können. Aber er zeigt sie nicht, um die Apostel als Feiglinge abzutun. Das hilft niemandem weiter.

Der Auferstandene weiß, dass Versöhnung mehrere Anläufe braucht und wir täglich den Frieden üben müssen. Ein arabisches Sprichwort sagt: „Geh eine Meile, um einen Freund zu sehen, zwei Meilen, um einen Kranken zu besuchen, drei Meilen, um Frieden zwischen Menschen zu stiften.“ Das Sprichwort betont, dass es nicht leicht ist im Frieden zu leben und Frieden zu stiften und deshalb umso wichtiger ist, drei Meilen dafür zu gehen.

Diese  Schritte zahlen sich aus, auch weil die Auferstehung Jesu stärker ist als der Tod.

 

Details
  • Datum: 3. September 2023
  • Prediger:
  • Bibelstelle: Johannes 20,19-23