Beschreibung

Predigt Deeskalieren und manches löschen

Evangelium Johannes 8,1-11; 6.4.25

 

Der österreichische Schriftsteller Karl Heinrich Waggerl sagt zum Wirken Jesu: „Christus ist nicht gekommen, um die Menschen intelligenter und tüchtiger zu machen, sondern um sie dazu anzuleiten, gütiger, selbstloser, mitfühlender und hilfsbereiter zu werden, denn es sind vor allem die Kräfte des Herzens, auf die es ankommt.“ Ich bin zutiefst überzeugt: Wenn ich mich vom Herzen Jesu wirklich ergreifen lasse, dann werde ich verwandelt. Ich werde nicht unverletzbar oder erfolgreicher, wohl aber herzlicher und überzeugter.

 

Ich frage mich: Gelingt dies Jesus bei der Begegnung mit der Ehebrecherin, konnte er damals die Ehebrecherin und die anklagenden Pharisäer und Schriftgelehrten verändern, kann er damit mich verwandeln?

 

Was schreibt Jesus?

Was hat Jesus in die Erde geschrieben? Diese Frage beschäftigt seit eh und je die Menschen. Wir wissen es nicht. Einige meinen, er habe den Namen „Jahwe“ geschrieben, den gläubige Juden nicht aussprechen. Andere vermuten, er habe den Gesetzestext aus Mose geschrieben (Leviticus 20,10; Deuternonomium 22,22-24), wieder andere vermuten das Wort „Vergebung“ oder „Wer von euch ohne Sünde ist, der werfe den ersten Stein.“

 

Warum schreibt Jesus in den Sand?

Spannender ist für mich noch die Frage, warum Jesus in die Erde geschrieben hat und nicht auf eine Gesetzestafel. Im Tempel von Jerusalem wäre das einfach gewesen.

Für mich ist klar: Jesus will hier deeskalieren und Druck herausnehmen. Er rettet damit die angespannte Situation:

 

Die Situation im Tempel von Jerusalem ist schon am frühen Morgen stark aufgeladen. Die Schriftgelehrten und Pharisäer bringen eine Frau, die beim Ehebruch ertappt worden war. Sie stellen eine Namenlose in die Mitte, der dazugehörige Ehebrecher taucht nicht auf. Die Frau wird von den Pharisäern missbraucht, um Jesus vorzuführen und am liebsten zu überführen. Sie wollen, dass er sich öffentlich gegen das Gesetz des Mose äußert und sie ihn dann wegen Nichtbeachtung des Gesetzes anklagen können. Falls er die Steinigung befürwortet, würde er seiner bisherigen Botschaft widersprechen und sich bei der römischen Behörde schuldig machen, die dem jüdischen Volk die Durchführung von Todesstrafen verbietet.

 

Er schreibt nur einmal, sondern sogar zweimal. Was in den Sand geschrieben wird, das wird leicht vom Wind verweht und ist bald nicht mehr leserlich. Vielleicht zeigt Jesus damit auch, dass wir mit Urteilen nicht zu schnell sein sollen und nicht so tun sollen, dass etwas für alle Zeiten in Stein geschrieben ist.

 

Dazu eine Geschichte (Quelle unbekannt): Einmal wanderten zwei Freunde durch die Wüste. Plötzlich gerieten sie in einen heftigen Streit miteinander. Dabei schlug der eine dem anderen im Zorn ins Gesicht. Ohne ein Wort zu sagen, kniete der Geschlagene nieder und schrieb folgende Worte in den Sand: „Heute hat mir mein Freund ins Gesicht geschlagen. Dann wanderten sie schweigend weiter, bis sie zu einer Oase kamen. Sie beschlossen, in den Teich zu springen. Der Freund, der vorher geschlagen worden war, blieb plötzlich im Schlamm stecken und drohte zu ertrinken. Sein Freund rettete ihn in letzter Minute. Nachdem sich der Gerettete erholt hatte, nahm er einen Stein und ritzte folgende Worte hinein: „Heute hat mir mein bester Freund das Leben gerettet.“ Der Freund, der den anderen geschlagen und auch gerettet hatte, fragte erstaunt: „Als ich dich gekränkt hatte, hast du deinen Satz nur in den Sand geschrieben, aber nun ritzt du die Worte in den Stein. Warum schreibst du diese Worte nicht auch hier in den Sand?“ Der andere antwortete ihm: „Wenn uns jemand kränkt oder beleidigt, sollten wir es in den Sand schreiben, damit der Wind des Verzeihens es wieder löschen kann. Aber wenn jemand etwas tut, was für uns gut ist, dann können wir das in einen Stein gravieren, damit kein Wind es jemals löschen kann.

 

In den Sand schreiben statt Fehler der anderen sammeln

Im Umgang mit unseren Mitmenschen und mit uns selbst geht es darum, manches in den Sand zu schreiben, abzuschließen und zu vergessen. Diese Geschichte bringt diese Pointe des heutigen Evangeliums gut zum Ausdruck.

Viele Leute tun ja das Gegenteil. Sie sammeln am Handy und am Computer die Fehler der anderen, um Argumente und Beweise gegen sie zu haben. Sie tratschen oder verschicken Beweisfotos gegen andere oder stellen diese sogar auf Sozial Media. Das ist moderne Form von Steinigung und oft verletzender als ein echter Stein.

Dieses Sammeln ist giftig und tödlich. Da hilft meist nur eines: Löschen! Das befreit.

 

Ist ein Neuanfang möglich?

Bei der Begegnung mit der Ehebrecherin und den Pharisäern und Schriftgelehrten schlägt Jesus keine Türen zu, sondern öffnet neue Möglichkeiten. Er zeigt, was Vergebung bedeuten kann, damals und heute:

Jesus stellt der Frau keinen Freibrief für die Zukunft aus, sondern betont: Geh und sündige von jetzt an nicht mehr. Jesus zeigt den Selbstgerechten ihre Grenzen auf und hält ihnen einen Spiegel vor: Schaut zuerst auf euch und eure Fehler und ergötzt euch nicht an den Fehlern der anderen. Wer von euch ohne Schuld ist, der werfe den ersten Stein. Jesus ermöglicht mit diesem Satz sogar bei den Selbstgerechten eine Besserung und bleibt nicht bei der ständigen Denkweise stecken: Wer ist Opfer? Wer ist Täter?

Details
  • Datum: 6. April 2025
  • Prediger:
  • Bibelstelle: Johannes 8,1-11