Predigt Dekanatswallfahrt Lavant 1. Mai 2025
Beschreibung
Predigt Dekanatswallfahrt Lavant 1. Mai 2025
Prediger: P. Dr. Bernhard Bürgler SJ
Gen 1,26-2,3 / Mt 5,13-16
Ich weiß nicht, wie es ihnen geht: Ich traue oft meinen Ohren und meinen Augen nicht, wenn ich höre und sehe, wie es in der Welt zugeht, in der weiten Ferne und in der unmittelbaren Nähe, im Großen und im Kleinen. Es macht mich sprachlos, ich mache mir Sorgen, manchmal bekomme ich auch Angst.
Wir leben heute in einer Welt multipler Krisen – Krisen in Politik, Gesellschaft, Wirtschaft. Es gibt unzählige Auseinandersetzungen, Konflikte und Kriege, es gibt Vertreibung und Flucht, es gibt die Gefährdung der Demokratie, es gibt Zerstörung der Umwelt. Misstrauen, Ausgrenzung, Gewalt nehmen zu. Auch bei uns ist eine Verrohung der Sprache festzustellen, Abwertung, Beschimpfung sind an der Tagesordnung. Menschen sind zunehmend nervös, reizbar, aggressiv.
Mit dieser Diagnose bin ich nicht allein. Viele empfinden es ähnlich oder gleich. Vielleicht stimmen auch sie mir zu.
Sie kennen den Spruch: „lupus est homo homini, non homo“, übersetzt: ein Wolf ist der Mensch dem Menschen, kein Mensch. Hat der römische Schriftsteller, von dem der Ausspruch stammt, etwa recht? Ist es so? Auch wenn es vielfach den Anschein hat, ich denke nicht.
Im Grunde ist der Mensch nicht so, wie er sich vielfach verhält. Im Grunde, vom Ursprung her, ist er anders. Gott hat ihn anders geschaffen und gewollt. Wir haben in der Lesung von der Erschaffung der Welt und des Menschen gehört. Die Schöpfungserzählung, aus der der Text stammt, erzählt von der Erschaffung des Kosmos, der Welt, der Pflanzen und Tiere und Menschen. Sie steht am Beginn der Bibel. Es wäre falsch, diese Erzählung wörtlich zu nehmen – so, genauso ist es geschehen, genauso wurde alles erschaffen. Wohl aber steckt eine tiefe Wahrheit in ihr: erzählerisch, mit eindrücklichen Bildern bringt sie zum Ausdruck, was die Welt und in ihr der Mensch nach dem Plan Gottes ist. Es ist gut, gerade heute, sich daran zu erinnern und als Christen danach zu leben.
Drei Aspekte, die mir gerade auch im Hinblick auf unsere heutige Welt wichtig scheinen, möchte ich aufgreifen und nun etwas näher eingehen.
1.
Es wird erzählt, dass Gott den Menschen aus dem Staub des Erdbodens formte und dass er ihm Lebensatem in seine Nase blies. So, heißt es, wurde der Mensch zu einem lebendigen Wesen.Diese Bilder sagen, wir Menschen haben sozusagen eine Doppelnatur, wir partizipieren an der irdischen und an der himmlischen Sphäre.
In der Spannung zwischen diesen beiden Polen bewegt sich der Mensch.
Einerseits: körperlich, schwach/hinfällig, sterblich … Andererseits: geistig, mit einem Auftrag, mit Verantwortung, mit Würde begabt, unsterblich …
Es ist wichtig, beides zu sehen und die Spannung, die zwischen beiden Polen besteht, aufrecht zu erhalten, sie nicht einseitig aufzulösen, aufzuheben – der Mensch – nur Körper oder nur Geist. Ersteres – das irdische – nicht verdrängen, letzteres – das himmlische – nicht übersehen. Vor allem das zweite, die unverlierbare Würde des Menschen, scheint mir heute gefährdet.
Wenn wir einem Menschen begegnen, sollen wir seine irdische Natur und damit seine Grenzen und Schwächen sehen, aber uns auch seiner himmlischen, göttlichen Natur und damit seiner unverlierbaren Würde bewusst sein. Dann begegnen wir dem anderen, so wie er nun einmal ist, mit Achtung und Respekt.
2.
Gott, so wird gesagt, erschuf den Menschen männlich und weiblich, als Mann und als Frau. Verschieden also, und das betrifft nicht nur das Geschlecht, sondern auch vieles sonst – Hautfarbe, Charakter, Geschichte, Haltungen und Verhalten, Ansichten und Meinungen … Diese Verschiedenheit ist manchmal eine Herausforderung, sie ist aber auch eine Chance, ein Potential und ein Auftrag. Wir sind einander gegeben. Wir sind einander Hilfe, Hilfe auf dem Weg durch das Leben. Wir brauchen einander.
Es gilt, zu versuchen, einander anzunehmen, wo wie wir nun einmal sind, sich in aller Verschiedenheit gegenseitig wertzuschätzen, füreinander u sorgen, gegenseitig Lasten zu tragen, einander zu verzeihen, füreinander zu beten.
3.
Am sechsten Tag, nach Himmel und Erde, Tag und Nacht, Sonne und Mond, Pflanzen und Tiere wird der Mensch erschaffen. Zuletzt. Er wird sozusagen hineingeschaffen in den bestehenden Kosmos.
Wir stehen nicht über der Schöpfung, auch nicht ihr gegenüber, wir sind Teil von ihr, mit ihr auf vielfache Weise verbunden.Und so obliegt uns die Sorge für sie.
Jede und jeder von uns kann und soll manches tun für den Fortbestand der Schöpfung. Wir sollen sie bewahren, nicht zerstören.
Soweit meine Punkte.
Keiner von uns hat die Macht, die Welt total zu verändern. Nur ohnmächtig zuzuschauen, falsche Entwicklungen einfach hinzunehmen, sich anzupassen, dazu sind wir aber auch nicht verurteilt. Als Christen sind wir eingeladen, dagegenzuhalten.
Dagegenzuhalten, indem wir so als Mensch zu leben versuchen, wie es von Gott her gedacht ist. Das verändert nicht alles, aber es macht einen Unterschied. Die Welt wird sich zum Bessern verändern, nach und nach, für uns alle.
Jesus, so glauben wir, hat das Bild Gottes vom Menschen ganz verwirklicht. Er ist uns vorausgegangen, er traut auch uns zu, ihm in dem nachzugehen, er zeigt uns die Schritte und er gibt uns die Kraft sie zu setzen.
Ihr seid das Salz der Erde, ihr seid das Licht der Welt, sagt Jesus. Im Evangelium haben wir es wieder gehört. Bringet Geschmack in diese oft geschmacklose Welt, bringt wir Licht in diese oft dunkle Welt. Dort wo ihr lebt, dort, wo ihr hingestellt seid.
Das ist die Einladung Jesu, sein Auftrag an uns alle.
Wir Menschen sind nicht auf der Welt, damit wir in den Himmel kommen, wir sind auf der Welt, damit ein Stück Himmel auf die Erde kommt.
Details
- Datum: 1. Mai 2025
- Prediger: Bernhard Bürgler SJ
- Bibelstelle: Genesis 1,26 - 2,3