Beschreibung

Predigt Die Wunden Jesu und unsere Wunden

Johannes 20,19-31; 7. April 2024

 

Am Mittwoch bei der Abendmesse in Grafendorf haben wir das Lied „Freu dich erlöste Christenheit“ gesungen, auch die Strophe 3: „Die Wunden rot, jetzt o wie schön, freu dich und singe, wie Sonn- und Mondglanz anzusehn, Halleluja.“

Nach der Messe hat in der Sakristei die Annika, eine tüchtige Ministrantin, ganz entrüstet gemeint: „Ich versteh das nicht! Warum sollen Wunden schön sein. Wunden sind doch grausam!“

Ich habe mich sehr über diese Aufmerksamkeit und das kritische Denken von Annika gefreut. Sie hat ja Recht: Warum sollen Wunden schön sein? Wunden sind nie schön, sie sind grausam. Welchen Sinn können sie dann haben?

 

So möchte ich heute auf die Wunden von Jesus schauen und besonders darauf, wie er mit seinen Wunden umgeht. Ich möchte zunächst zwei Formen des Umganges mit Wunden beschreiben, die uns sicher bekannt vorkommen, die Jesus aber absichtlich nicht gewählt hat, und dann seinen wahrlich österlichen Umgang mit den Wunden betrachten.

 

Wunden als Drohung und moralische Keule

Stellt Euch vor, der Auferstandene hätte bei der ersten Begegnung mit seinen Jüngern folgendermaßen gedacht und geredet.

Da seid ihr ja, ganz ängstlich und verschlossen. Kein Wunder nach eurem feigen Verhalten in den vergangenen Tagen. Das hätte ich mir von euch nicht erwartet! Es ist schlimm, was mir alles angetan wurde. Auf niemanden ist Verlass. Und ihr seid nicht viel besser als diese machtgierige Gruppe der Hohenpriester. Die gehen über Leichen, das haben wir jetzt endgültig gesehen. Aber so einfach geht das mit mir nicht. Die werden noch dreinschauen!

Dieser Umgang mit den eigenen Wunden gleicht einer Drohung und einer moralischen Keule. Wenn der Auferstandene so zu seinen Jüngern gesprochen hätte, dann hätte das nicht nur schlimme Folgen für diese damals, sondern auch für uns heute.

 

Eine andere Form des Umgangs mit Wunden: Jammern und Mitleidtour

Schaut her auf meine Wunden. Ich bin so arm. Ich habe es so gut gemeint, aber niemand versteht mich, niemand mag mich.

Kommt euch diese Form bekannt vor?  Was wäre, wenn der Auferstandene bei der ersten Begegnung mit seinen Jüngern so gedacht und geredet hätte?

 

Jesus zeigt versöhnte Wunden

Zum Glück und Gott sei Dank verläuft der Ostermorgen ganz anders.

Es ist befreiend, wie der Auferstandene mit der Ungerechtigkeit der vergangenen Tage und mit den Versäumnissen der Jünger umgeht und

wie er dadurch in Wort und Tat zugeschlagene Türen öffnet.

 

Man hat im Bibeltext des Osterevangeliums den Eindruck, dass der Auferstandene den Jüngern nicht nur einen Finger, sondern alle fünf Finger und somit die ganze Hand hilfreich entgegenstreckt.

  • Die Friedenszusage: Friede sei mit euch.
  • Das Zeigen der Wunden.
  • Die Sendung: Wie mich der Vater gesandt hat, so sende ich euch.
  • Das Einhauchen des Heiligen Geistes: Empfangt den Hl. Geist
  • Und die ausdrückliche Ermächtigung, Sünden zu vergeben.

Jesus durchbricht mit dieser gereichten Hand wieder einmal den ewigen Kreislauf der Rachephantasien und Schuldzuweisungen. Wie schon beim Prozess und Kreuzweg durchbricht Jesus die verständlichen Reflexe des Zurückschlagens.

 

Ich sehe Jesu Zeigen der Wunden in der Kombination aller fünf Finger.

Da ist es nicht mehr notwendig, mit den „alten Geschichten“ zu beginnen.

Die Wunden des Auferstandenen helfen den Jüngern,

die dunkle Vergangenheit der letzten Tage weder zu verdrängen

noch fürs ganze Leben an diese Schuld gebunden zu sein.

Das Wunder der Auferstehung ermöglicht, dass aus schmerzhaften Wunden ein Zeichen der Versöhnung und Treue wird.

Am ersten Ostermorgen ist dies jedenfalls gelungen.

Von den Wunden der Liebe zum Wunder der Liebe.

 

Sag es mir wieder großer Gott:

Nicht nur die Wunde ist wichtig, die ich verbinde,

sondern der Mensch, dem die Wunde gehört.

Nicht nur die Krankheit ist wichtig, die ich behandle,

sondern der Mensch, der sie erleidet.

Darum bitte ich Dich:

Mach mein Auge klar, mein Gesicht hell,

meinen Mund froh

und meine Hände zart,

damit ich Mensch bin ganz und gar.

(Anton Rotzetter)

 

Details
  • Datum: 7. April 2024
  • Prediger:
  • Bibelstelle: Johannes 20,19-31