Beschreibung

Predigt Schatzkiste Gebet

Lesung Apostelgeschichte 16,22-34; 28. Mai 2019

 

Um Mitternacht beteten Paulus und Silas und sangen Loblieder, und die Gefangenen hörten ihnen zu.

Die Situation überrascht: Paulus und Silas sitzen im Gefängnis und was tun sie. Sie singen Loblieder und nicht Klagelieder. Sie richten keine stürmischen verzweifelten Bitten an Gott. Diese Haltung gefällt mir, sie erzählt von der Freiheit im Gebet.

So möchte ich heute im Rahmen der Bitttage einige Besonderheiten des christlichen Betens aufzählen, die mir immer wichtiger werden und eine Schatzkiste für mich sind:

 

Betende Menschen haben nicht weniger Probleme, aber mehr Lösungsmöglichkeiten

Beten schafft keine heile, sorglose Welt, aber es hilft, erlöster mit dem vielen Ungelösten umzugehen und sogar manches zu verwandeln.

 

Christliches Beten hat als Adresse ein Du, den persönlichen Gott

Gute und ehrliche Selbstreflexion hilfreich für ein geglücktes Leben hilfreich. Beten öffnet eine zusätzliche Tür. Ich darf mein Leben mit den gütigen Augen Gottes anschauen und muss mich nicht um mich selbst drehen. Der Pharisäer im Tempel (Lukas 18,11) macht den Fehler, dass er mehr zu sich selber spricht als zu Gott betet. Kein Wunder, dass er engstirnig und engherzig geworden ist.

 

Beten fördert die Beziehung zu Gott

Beim Eingang zur Heiliggeistkirche in Sterzing fand ich folgenden Text: „Jede Kirche ist ein Ort des Gebetes und der Stille, ein Raum, in dem wir im Dialog mit Gott leben dürfen. Wenn du IHN in deinem Leben bereits getroffen hast, dann bete und danke; wenn du IHN aber suchst, rufe zu ihm und mach dich bereit, IHN im Leben wirken zu lassen! Öffne dein Herz und deine Gedanken für die Begegnung mit IHM!“

Beten ist gelebte Freundschaft mit Gott. Beim Gebet geht es nicht um eine Pflicht oder Leistung, sondern um das Pflegen der Liebesbeziehung zu Gott und um das selbstverständliche Miteinbeziehen Gottes in mein Alltagsleben. Wer mit Gott rechnet, wird auch mit ihm reden. Auf die Frage „Warum sollen wir beten? Gott weiß ja sowieso, was wir brauchen!“ antworte ich gerne: Auch wenn meine Frau oder mein Mann und meine Kinder wissen, was mir wichtig ist, so suche ich doch den Kontakt zu ihnen und erzähle ihnen von meinem Leben.

 

Wenn ich für jemanden bete, dann begegne ich ihm anders

Diese Erkenntnis hat mein Leben schon oft erleichtert. Sie motiviert mich, besonders für jene zu beten, die mir Unrecht getan haben und mit denen ich mich schwertue. Nach einem Gebet für diese Menschen bin ich im Umgang mit ihnen freier und gelassener, wohl auch ehrlicher.

 

Beten und Arbeiten

Ignatius von Loyola sagt: „Bete so, als ob alles von Gott abhängt, und handle so, als ob alles von deinem Tun abhängt.“ Man darf Beten und Arbeiten nicht gegeneinander ausspielen. Sie sind wie die beiden Ruder eines Bootes. Mit einem Ruder komme ich nicht vom Fleck, da drehe ich mich im Kreis.

 

Erfüllt Gott all unsere Bitten?

Wäre es überhaupt gut, wenn Gott all unsere Wünsche erfüllt? Die Gebetshaltung „Herrgott tue endlich, so wie ich es will!“ macht aus Gott einen Automaten. „Gott erfüllt nicht unsere Bitten, aber seine Verheißungen.“  (Dietrich Bonhoeffer) Gott bitten – ja. Mit ihm feilschen – ja. Aber ihn „zwingen“ wollen – nein.

 

Freies Gebet oder vorformulierte Gebete

Im Krankenhaus Lienz hatte ich folgende zwei Gespräche unmittelbar hintereinander. Im ersten Zimmer meinte jemand: „Ich kann nicht mehr beten – also spreche ich frei mit Gott. Darf ich das tun?“ Ich bestätigte der Person, dass sie richtig handelt und weiterhin so beten soll. Im nächsten Zimmer erzählte jemand: „Ich kann mich beim Beten nicht mehr konzentrieren. Also spreche ich einfach mehrmals das Vaterunser, auch im Wissen, dass ich unkonzentriert bin und mit den Gedanken oft abwesend bin.“ Auch diese Person ermutigte ich voll Überzeugung, dass ihr Gebet richtig und wichtig ist.

Details
  • Datum: 28. Mai 2019
  • Prediger:
  • Bibelstelle: Apostelgeschichte 16