Beschreibung

Verstummtes Hosanna? – Predigt Palmsonntag 2020

Evangelium: Matthäus 21,1-11

 

In meinem Leben durfte ich schon oft am Ölberg stehen und von dort auf Jerusalem blicken:

  • auf die Altstadt, die durch die Mauer aus dem 16. Jahrhundert fast ein Quadrat bildet,
  • auf den Felsendom mit der goldenen Kuppel, die im Licht leuchtet,
  • auf die graue Kuppel der Grabeskirche etwas im Hintergrund. Das Kreuz auf der Kuppel der Grabeskirche strahlt im Morgenlicht und erzählt dadurch schon von der Auferstehung.
  • Der Blick schweift hinüber zum Berg Zion, wo Jesus das letzte Abendmahl gefeiert hat, und hinunter ins Kidrontal, das zwischen dem Ölberg und der Stadt Jerusalem liegt. Hier am Fuß des Ölbergs liegt der Garten Getsemani, wo Jesus übernachtet hat und gefangen genommen wurde.

Ihr seht, man kann vom Ölberg aus schon die ganze Karwoche in den Blick nehmen.

Jedes Mal, wenn ich am Ölberg sehe, dann denke ich mir: Was hat diese Stadt Jerusalem schon alles mitgemacht? Soviel Freude, soviel Leid, so viele Verheißungen und Hoffnungen!

 

Einzug Jesus in Jerusalem

Jerusalem hat auch den Einzug Jesu erlebt. Die Bibel schildert uns dieses Ereignis als Volksfest. Alle freuen sich, einige steigen auf die Bäume,  einige legen Kleider auf den Boden, um für Jesus sozusagen einen Roten Teppich auszubreiten.  Der Einzug Jesus in Jerusalem ist in mehrerlei Hinsicht einzigartig. Hier zwei Blitzlicht, die in ihrer Symbolkraft viel mehr sind als ein Sensationsereignis oder ein Foto für die Zeitung.

 

Esel

Jesus reitet auf einem Esel in Jerusalem ein. Ist Jesus am Ende seines irdischen Lebens wieder auf den Esel gekommen? Am Beginn seines Lebens ist ein Esel zur Stelle und trägt seine schwangere Mutter auf dem Weg von Nazaret nach Betlehem und dann sie beide bei Flucht nach Ägypten.

Matthäus verknüpft den Einzug auf einem Esel mit einer Prophezeiung des Propheten Sacharja. Die Botschaft ist klar: Mit Jesus beginnt die messianische Friedenszeit. Jesus ist der Friedensfürst, der nicht hoch zu Ross kommt.

Auch die Verbindung zu Maria ist schön: Maria trägt das Jesuskind am Beginn seines Lebens. Bald muss sie ihren toten Sohn wieder auf ihrem Schoß halten.

Der Esel und Maria legen uns eine Spur, wie wir persönlich 2020 den Palmsonntag vollziehen können. Es geht darum, selber zu „Christus-TrägerInnen“ zu werden und unsere Aufmerksamkeit besonders jenen Menschen zuzuwenden, die Halt und Schutz benötigen.

 

Hosanna

Hosanna, dem Sohn Davids! Voll Freude rufen die Menschen beim Einzug Jesu in Jerusalem. Hosanna bedeutet: „Rette doch!“ „Bring Hilfe!“ Der Ruf ist zunächst kein Jubelschrei, sondern ein Hilfeschrei an den König oder an Gott.

 

Das Volk Israel hat gute Erfahrungen mit seinem Gott gemacht. Sein Hilfeschrei geht bei Gott nicht ins Leere.

König Hiskija kann das bezeugen, er betet mitten in der Bedrohung durch die Assyrer: Nun aber, HERR, unser Gott, rette uns (hoschi'enu na; 2 Kön 19,19) aus seiner Hand, damit alle Reiche der Erde erkennen, dass du, HERR, Gott bist, du allein.

Der Psalmbeter (Psalm 118,25-28) gibt die positiven Erfahrungen weiter:

Dies ist der Tag, den der HERR gemacht hat, wir wollen jubeln und uns über ihn freuen. Ach Herr, bring doch Rettung (hosianna). Ach Herr, gib doch Gelingen. Gesegnet sei, der kommt im Namen des Herrn. … Mit Zweigen in den Händen schließt euch zusammen zum Reigen bis zu den Hörnern des Altars. Du bist mein Gott, dir will ich danken, mein Gott, dich will ich rühmen.

Wie heilsam, dass Gott immer wieder neu das Urvertrauen seines Volkes gestärkt hat und dadurch aus dem Hilferuf ein Jubelruf und Dank wurde.

 

Wenn wir heute am Palmsonntag 2020 Hosanna singen, dann ist beides wichtig:

Jesus! Rette doch und stärke uns in der Verunsicherung!

Jesus! Bring doch Hilfe in diese Welt!

Und gleichzeitig das Vertrauen:

Jesus, wir vertrauen dir! Du bist der wahre Erlöser.

Komm in unsere Stadt, komm in unser Dorf, komm in mein Herz.

 

Ein König aller Königreich?

Hosanna – ein Hilferuf, der einst dem König galt:

„Hilf uns, verschaffe Recht, befreie uns und schenke Frieden!“

Wie soll das gehen mit Jesus, der einreitet in eine besetzte Stadt,

der sie retten soll – ohne Gepränge, ohne Gefolge, ohne Macht.

Und doch „ein König aller Königreich, ein Heiland aller Welt zugleich,

der Heil und Leben mit sich bringt!“

Wie kann das gelingen, was das Herz zerreißt und das Denken sprengt?

Wie kann das gelingen?

Mit Gott, dem Barmherzigen, mit treuen Zeugen, geleitet vom Heiligen Geist:

„Dein Heilger Geist uns führ und leit … „ 

                            Dorotee Sandher-Klemp, in Magnificat Karwoche 2020

Details
  • Datum: 4. April 2020
  • Prediger:
  • Bibelstelle: Matthäus 21,1-11