Beschreibung

Predigt Ist Jesus ein bettelnder König? Christkönig 2023

Evangelium Matthäus 25,31-46, Sonntag 26. November 2023

 

Der indische Dichter und Philosoph Rabindranath Tagore erzählt folgende Geschichte: Ich ging als Bettler von Tür zu Tür die Dorfstraße entlang. Da erschien in der Ferne ein goldener Wagen wie ein schimmernder Traum, und ich fragte mich, wer dieser König der Könige sei. Der Wagen hielt genau vor mir an. Der Blick des Königs fiel auf mich, und mit einem Lächeln stieg er aus. Was für ein Glück für mich! Dann streckte der König plötzlich die rechte Hand aus und sagte: „Was hast du mir zu schenken?“ Welch königlicher Scherz war das, bei einem Bettler zu betteln! Ich war verlegen, stand unentschlossen da, nahm schließlich aus meinem Beutel ein winziges Reiskorn und gab es dem König. Doch wie groß war mein Erstaunen, als ich am Abend meinem Beutel umdrehte und zwischen dem wertlosen Plunder das kleine Korn wieder fand – zu Gold verwandelt. Da habe ich bitterlich geweint, und es tat mir leid, dass ich nicht den Mut gefunden hatte, dem geheimnisvollen König alles zu geben.

 

Ich als Bettler und Bettlerin

Viele Menschen erleben, dass sie wie der Bettler in der Geschichte zu kurz kommen. Da entsteht leicht die Haltung, nichts hergeben zu wollen und sich ständig benachteiligt zu fühlen. „Das sollen die anderen tun, die viel mehr haben!“ „Das soll der König mit seinem ganzen Gold und Geld tun!“ „Unverschämt, wenn dann noch jemand kommt und fragt: Was hast du mir zu schenken?“

 

Ist Jesus auch so ein König?

Neben dem Bettler in uns möchte ich den Blick auf den geheimnisvollen König in der Geschichte werfen und ihn heute am Christkönigsonntag mit Jesus vergleichen. Ich frage mich: Ist Jesus auch so ein König, der unerwartet kommt, der mich und dich meint, aber zunächst etwas von mir will. Zunächst fällt der Unterschied auf: Jesus kommt nicht auf einem goldenen Wagen, weder bei seiner Geburt im Stall von Betlehem, noch bei seinem irdischen Wirken im Hl. Land, noch bei seinem Wirken auf Auferstandenen auf der ganzen Welt im Laufe der letzten zwei Jahrtausende.

Der Gedanke, dass Jesus zunächst etwas von mir will, beschäftigt mich. Manchmal hätten wir lieber einen Jesus, der zu mir kommt, wenn ich es wünsche, der Geschenke verteilt und der auf Knopfdruck oder Gebetsdruck unser Leben verbessert. Die Erfahrung zeigt, dass dies nicht klappt. Was ist die Reaktion: Entweder Jesus hat doch nicht so viel Macht oder mein Beten war zu schwach? Diese Haltung bringt uns und die Welt nicht weiter, ganz im Gegenteil.

So komme ich zurück zum Gedanken, dass Jesus etwas von mir will. Jesus fragt auch mich und dich: „Was hast du mir zu schenken?“ Er tut dies nicht deswegen, um mich und dich auszunützen, sondern um unser Teilen und Geben zu vergolden und zu vermehren. Wenn du gibst, wirst du nicht automatisch ärmer, sondern oft reicher.  Wenn du gibst, geschieht Wunderbares. Ich teile etwas und merke, dass ich beschenkt werde. Meine Gabe wird wie das kleine Samenkorn vergoldet.

 

Wertvolles Geben und Nehmen

So möchte ich euch heute den Gedanken mitgeben: Jesus ist einer, der zunächst etwas von uns will, aber nicht deswegen, weil er uns ausnützen will, sondern weil der das Geschenke vergolden kann. Damit sind wir ganz nahe bei der großen Aussage des heutigen Evangeliums von den Werken der Barmherzigkeit.  Wir begegnen Jesus besonders dann, wenn wir geben. „Was ihr für einen meiner geringsten Brüder und Schwestern getan habt, das habt ihr mir getan.“ (Matthäus 25,4)

Begegnungen mit Menschen werden zu bereichernden Begegnungen mit Jesus, zwar nicht mit einem goldenen Wagen, auch nicht mit Pauken und Trompeten, wohl aber mit Leib und Seele, Herz und Verstand.

Details
  • Datum: 26. November 2023
  • Prediger:
  • Bibelstelle: Matthäus 25,31-46