Beschreibung

Predigt Osternacht 2019
Ostern ist wie ein Haltegriff im Leben

Wenn ich in einer größeren Stadt mit der U-Bahn fahre oder irgendwo mit der Straßenbahn unterwegs bin, dann faszinieren mich immer die Haltegriffe, die von oben herabhängen.
• Meistens bleibe ich bei der Fahrt stehen und halte mich an den Haltegriffen.
• Ab und zu halte ich mich nicht, weiß aber, wo ich bei einem Bremsen sofort den Halt finde.
• Wenn wenig Leute in der U-Bahn sind, manche ich manchmal auch einige Turnübungen und Klimmzüge an den Haltegriffen.
Die Haltegriffe sind eine Hilfe von außen, um meine eigene Standfestigkeit und mein Gleichgewicht zu unterstützen. Dabei ist klar: Es geht nicht, dass ich diese Haltegriff erst montiere, wenn die scharfe Kurve oder der Vollbremser mein Leben überrascht. Dann ist es meist zu spät.

Im Blick auf die große Osterbotschaft ist mir der Gedanke gekommen, dass Ostern so ein Haltegriff im Leben ist, der mir hilft, aufrecht zu stehen und nicht bei jeder kleinsten unvorhergesehenen Bewegung umzufallen.
Ich möchte heute bei diesem Vergleich „Ostern ist der beste Haltegriff im Leben“ bleiben und ihn mit einigen Beobachtungen verbinden. Da fällt zunächst auf:

1. Ostern ist wie der Haltegriff eine Stütze von außen
Wir Menschen lachen sehr gerne über die Gestalt des Münchhausen, der mitten im Schlamm und ohne jeden fixen Punkt sich selber aus dem Dreck herausziehen will.
Aber ist dieser Münchhausen so fern und so erfunden, wenn ich daran denke,
wie wir alle dazu neigen, alles selber tun zu wollen? Ein gewisser Stolz hindert uns, von außen Hilfe zu holen und macht uns zu Menschen, die nach dem Motto leben: Ich brauche keine Haltegriffe von außen, ich bin fitt, ich gehöre ja nicht zu den Schwachen oder Versagern.

Zwischendurch habe ich den Eindruck, dass es sogar modern ist, auf den Haltegriff Gott zu verzichten, um zu zeigen, wie selbständig ich bin.
Täusche ich mich ganz, wenn ich vermute, dass der modernen Atheismus, der wieder lauter und auch aggressiver wird, als Ursache zum einen die menschliche Erfahrung hat, dass Gott nicht sofort oder gar nicht das tut, was wir wollen. Kann nicht zum anderen die Ursache darin liegen, dass der moderne Mensch Gott deswegen ablehnen muss, um zu zeigen, dass er ganz frei ist. Eine höhere Instanz wäre ein Rückschritt.

Die Weigerung Haltegriffe von außen zu nützen ist ein falscher Stolz und führt oft dazu, dass sich Menschen mitten in den vielen Unfällen des Lebens nirgends halten oder sich dann ganz hilflos an allen möglichen Strohhalmen festklammern.
Da kann der Blick auf Jesus ganz schlicht und einfach befreien:
Nicht einmal Jesus hat am Kreuz gemeint, er muss jetzt Superman spielen. Er schreit sogar den Hilferuf heraus.
Nicht einmal Jesus hat sich selber auferweckt, das hat sein Vater getan.

Das 2.: Ostern hilft wie der Haltegriff wieder aufrecht zu stehen
Wir brauchen in unserer Welt die Augen und Ohren nicht lange aufzumachen, dann sehen wir schon, wo und wie überall Menschen zusammen brechen, keine Kraft mehr haben und oft versteckt am Boden bleiben. Leider.
Ostern bietet Hilfe, um sich aufzuziehen und aufrechter zu stehen, wenn ich gefallen bin.
Ostern bietet Trost im Unterschied zu einer billigen Vertröstung

Bischof Joachim Wanke aus Erfurt stellt einmal die Frage, woran erkennbar ist, dass wir aus dem Osterglauben leben. Seine Antworten sind:
Der Osterglaube macht souverän und verhilft zum Selbststand. Er befreit, sich von der Angst hetzen zu lassen, in diesem Leben nicht alles zu bekommen.
Der Osterglaube schenkt eine Freude, die sich mit keiner anderen Freude vergleichen lässt.
An Jesus Christus glauben und die Taufe ernst nehmen heißt, aus dem Vorgriff auf eine Wirklichkeit zu leben, die dem Lebenshunger unseres Herzens gewachsen ist.

Liebe Eltern. Es ist eure Aufgabe, diese hilfreichen Haltegriffe des Glaubens euren Kindern so zu zeigen wie ihr ihnen vieles andere ganz selbstverständlich zeigt.

Liebe Pfarrgemeinde: Es ist unsere Aufgabe, die Haltegriffe des Glaubens nicht mit allem Möglichen zu verdecken. Wo wir als Einzelmenschen oder als Kirche andere niederdrücken oder sogar niedertreten, da verhindern wir Ostern und wollen zurück zu den Intrigen des Karfreitags oder der Sklaverei von Ägypten.

Wir müssen keinen Sonnenaufgang machen, den macht der Gott der Auferstehung, aber wir müssen uns gegenseitig helfen, am richtigen Ort zu sein, um das Osterlicht zu sehen und uns am Haltegriff der Osterbotschaft aufrichten zu lassen.

Geist des auferstandenen Christus,
nur wenn wir in großer Einfachheit beten, können wir dich empfangen.
Du weißt, wie wenig menschliche Sprache auszudrücken vermag,
was in unserer Tiefe geschieht.
Doch du bist es, der bei unserem schlichten Gebet zu uns spricht,
bisweilen durch ein Wort, durch ein Ereignis, manchmal in einem Stillehauch.
Du sprichst zu uns,
und in deiner Gegenwart bricht das Morgenrot des Vertrauens an.
(Gebet aus Taize)

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