Beschreibung

Predigt Krise – Umkehr - Feuer der Neuberufung

Bischofsvikar Jakob Bürgler bei der Dekanatswallfahrt Lavant am 1. Mai 2023,

Evangelium Johannes 21,1-15

 

Nach der Auferstehung Jesu ist nicht alles klar. Ganz und gar nicht. Die Jünger machen eigenartige Erfahrungen, aber sie trauen ihnen nicht. Sie erleben, wie die Frauen zu kraftvollen Zeuginnen werden, aber sie halten alles für Geschwätz. Sie brauchen eine neue Dynamik, aber sie ziehen sich zurück, „in die Sakristei“. Sie wissen nicht, wie es weitergehen soll, und beginnen wieder mit ihrem gewohnten Alltag. Sie gehen fischen. Nach der Auferstehung Jesu ist nicht alles klar.

Ich möchte aus dem Evangelium von der morgendlichen Begegnung mit dem lebenden Jesus, dem Auferstandenen, drei Gedanken herausgreifen und sie ein wenig vertiefen. Die Krise. Die Umkehr. Das Feuer der Neuberufung.

 

Die Krise

Die Jünger sind in einer Krise. Wer möchte das bestreiten! Die wunderbaren Tage der innigen Gemeinschaft mit ihrem Herrn und Meister sind abrupt zu Ende gegangen. Innerhalb von drei Tagen. Brutal zu Ende gegangen. Mit dem Mord an Jesus ist für die Jünger alle Zuversicht dahin, alle Dynamik und Freude kaputt. Sie wissen nicht mehr, wie es weitergehen soll. Alles scheint zusammenzubrechen. Die Zeit, in der so viel aufgeblüht ist, in der die Tage von so viel Sinn und Erfüllung geprägt waren, ist zerbrochen. Es geht abwärts, unaufhörlich.

Aus dem Zwölferkreis ist eine kleine Gruppe geworden. Sieben sind es, die zum Fischen gehen. Und dazu kommt noch, dass ihnen nicht einmal mehr das gelingt, was sie gelernt haben, was sie können: Fischen. Kein Erfolg. Kein vorweisbares Ergebnis. Kein Aufbruch. Es wird immer weniger. Und dann kommt dieser Fremde und weist sie auch noch auf den Misserfolg hin. „Meine Kinder, habt ihr keinen Fisch zu essen?“ (Joh 21,5) Er legt seinen Finger direkt in die offene und schmerzende Wunde. Was bleibt, sind Enttäuschung, Frust, Kraftlosigkeit, unbeantwortbare Fragen, Rückzug. Das Evangelium ist sehr aktuell. Wer möchte bestreiten, dass sich die Kirche in einer Krise befindet? So viele offene Fragen. So viel Misserfolg. Die Austrittswelle ist nicht zu stoppen. In der jungen Generation scheint das, was Jesus gelebt und verkündet hat, zu verdunsten, wegzubrechen. Die Netze, die in der Vergangenheit so einladend waren, sind zerrissen und haben die Anziehungskraft verloren. Wir werden weniger, wer könnte das leugnen. Wie weitermachen? Was tun? Wir sind in Versuchung, uns zurückzuzuziehen und über die böse Zeit zu schimpfen.

 

Die Umkehr

Warum hat Jesus Fischer zu Jüngern berufen und nicht Bauern? Das, was jetzt kommt, ist keine Abwertung von Bauern… Er tut es deshalb, weil Bauern ein fix umgrenztes Gebiet bearbeiten und Fischer immer neu auf die Suche nach Fischschwärmen gehen müssen. Diese sind immer unterwegs, nie am gleichen Ort. Jünger sein heißt demnach, immer auf der Suche zu bleiben, nichts fix in der Hand zu haben.

Die Jünger tun das, was sie gelernt haben, was sie können. Sie nützen die Nacht zum Fischen. Nichts. Zurück bleibt nur Enttäuschung. Und jetzt kommt dieser Fremde, der von Tuten und Blasen keine Ahnung hat, und macht den Insidern, den Fachleuten, denen, die das Netz in der Hand haben, klar, dass sie woanders fischen sollen. Und das, als es schon Morgen wird. Das ist verrückt. Eigentlich ist es unerklärlich, warum sich die Jünger darauf einlassen. Aber es funktioniert. So viele Fische! Was die Jünger lernen müssen, ist umzukehren. Die Blickrichtung zu verändern. Anders zu schauen und anders zu denken. Den Blick von dem, was immer funktioniert hat, zu lösen, und neue Wege zu suchen.

Und das ist auch von uns als Kirche heute gefordert. Umkehren ist schwer – das weiß jeder und jede aus dem persönlichen Leben. So fest sind wir eingebunden in das, was immer war und was wir gewohnt sind und was scheinbar unveränderlich ist. Und doch passiert neue Dynamik nur dort, wo sich etwas ändert. Nicht ändert um der Veränderung willen, sondern ändert, um dem Weg Jesu besser zu entsprechen. Manchmal ärgert es mich, wenn ich höre, dass viele Fragen in der Kirche nicht lösbar sind, weil wir ja nicht nur das tun können, was wir wollen, sondern auf den Geist Gottes hören müssen. Das stimmt natürlich. Aber wer sagt, dass der Geist Gottes nur auf jener Seite wirkt, die bewahrt und am Bisherigen festhält?

 

Das Feuer der Neuberufung

Im Evangelium des österlichen Morgens spielt das Feuer eine große Rolle. Es erinnert an ein Feuer, das in jener Nacht brennt, in der Jesus verhört und verspottet wird, verurteilt und dem Tod ausgeliefert. Dieses Feuer ist jener Ort, an dem Petrus Jesus verleugnet. Drei Mal. Und nach dem österlichen Frühstück wird erzählt, dass Jesus den Petrus drei Mal fragt, ob er ihn liebt.  Am Feuer wird die Krise manifestiert, am Feuer geschieht der Neubeginn.

Die Jünger, die keine Ahnung mehr haben, merken, dass ihnen dieser Fremde weiterhilft, neue Zuversicht schenkt, einen Sinn erschließt, etwas nach vorne bringt. Und dass er das, was gewesen ist, heilt und gut sein lässt. Dass er, vollkommen überraschend, die Liebe der ersten Stunde, die Freude des Beginns, neu schenkt. Dass er die Berufung aufweckt und erneuert.

Das Feuer ist dabei ein Symbol. Eine Freude, die aufgeweckt wird, die Erkenntnis, dass der christliche Glaube ein Schatz ist, dass uns als Christen mit dem Glauben etwas unglaublich Kostbares geschenkt ist, das alles ist wie ein Feuer, das Funken sprüht. Es geht darum, Feuerstellen zu suchen. Wo brennt etwas von der Großzügigkeit Gottes? Wo taucht, manchmal völlig unerwartet, etwas vom Glanz einer anderen Welt auf?

 

Die Krise. Die Umkehr. Das Feuer der Neuberufung. Das heutige Evangelium ist überraschend aktuell. Ein Text für uns heute. Wo braucht es meinen neuen Blick? Wo finde ich ein Feuer, das mich an die Freude des Glaubens erinnert?

 

Jakob Bürgler

 

 

Details
  • Datum: 1. Mai 2023
  • Prediger:
  • Bibelstelle: Johannes 21,1-15